A.
Denken · Fühlen · Handeln
Öfters wird diese Trias in der Psychologie erwähnt. – Aus der Embryologie ist auch in der Biosynthese bekannt, dass bereits innerhalb der ersten drei Wochen nach der Einnistung in der Gebärmutter die ursprüngliche befruchtete Eizelle sich in drei Keimschichten differenziert hat (BOADELLA, David 1987: Befreite Lebensenergie, Einführung in die Biosynthese, Kapitel 3: Verkörperung vor der Geburt): Das Endoderm, aus dem sich sämtliche innere Organe entwickeln werden; das Mesoderm, aus dem sich Knochen, Muskeln und Blut entwickeln werden; sowie das Ektoderm, aus dem sich das Gehirn, sämtliche Nervenbahnen sowie die zugehörigen Wahrnehmungsorgane entwickeln werden. Das Endoderm ist assoziiert mit dem Fühlen („Bauchgefühl“), das Mesoderm mit dem Handeln, das Ektoderm mit dem Wahrnehmen und Denken. – Damit wird deutlich, dass diese Trias bereits in der Grund legenden Konstruktion unseres Körpers von Anfang an angelegt ist.
B.
Die horizontale Ebene (Das „Gegebene“)
Auf der „horizontalen Ebene“ differenziert der Mensch auf der körperlichen Grundlage der drei Keimschichten die drei Funktionen Denken – Fühlen – Handeln aus. Bei den heran wachsenden Menschen gibt es aus verschiedener genetischer Mitgift heraus bereits quantitative und qualitative Unterschiede in der Ausprägung dieser drei Funktionen.
C.
Die vertikale Ebene (Entwicklungsebene)
Auf der „vertikalen Ebene“ findet die individuelle Entwicklung eines speziellen Menschen statt, und zwar auf Grundlage seiner genetischen Besonderheiten, seiner spezifischen Erfahrungen, die er in der Welt macht und ihrer individuellen Weiterverarbeitung durch sein spezifisches Fühlen, Denken und Handeln. Daraus entsteht die Psyche mit ihrer jeweils besonderen psychischen Struktur, die auch „Persönlichkeit“ oder „Charakter“ genannt wird. In der weiteren Entwicklung ergibt sich zuweilen ein „Bedürfnis nach Transzendenz“.
D.
Transaktionsanalyse
Die Transaktionsanalyse wurde in den 1950er Jahren von dem Psychoanalytiker Eric Berne entwickelt. Sie ist ein Persönlichkeitsmodell und ein Kommunikationsmodell, auf dessen Basis unter anderem Psychotherapie durchgeführt wird. Gedanken, Handeln, Gefühle werden verschiedenen Ich-Zuständen zugeordnet. Dies kann für Zwecke der Psychotherapie, aber auch der Pädagogik, Beratung, Organisationsentwicklung angewandt werden. Es kann für alle Bereiche genutzt werden, in denen es darauf ankommt, Menschen als Individuen oder auch in Kommunikation mit einander zu verstehen.
In der Praxis ist dieses Modell für die meisten Menschen leicht erfassbar und intuitiv verständlich. Es macht bei vielen Dingen recht einfach verstehbar, wie ein Mensch allgemein, ein spezieller Mensch mit seinen Besonderheiten und auch, wie die Kommunikation zwischen mehreren Menschen „funktioniert“. So kann ich mich in kurzer Zeit mit Patienten darüber unterhalten und z.B. ihr eigenes spezifisches Funktionieren einleuchtend erklären. Das führt häufig zu wichtigen Erkenntnissen, oder zu „Aha-Erlebnissen“. Darum nutze ich gerne einige zentrale Konzepte der TA in der Psychotherapie.
E.
Das „Ich-Zustands-Modell“ und das Kommunikationsmodell der Transaktionsanalyse
Das Ich-Zustands-Modell der Transaktionsanalyse
postuliert, dass jeder Mensch über drei Grund legende Ich-Zustände verfügt. Ihm steht eine gewisse Menge an Energie zur Verfügung, die er differenziert auf diese drei Ich-Zustände verteilen oder –im Extremfall- auf einen einzigen Ich-Zustand konzentrieren kann. Je nach Verteilung der Energie denkt, handelt, fühlt ein Mensch sehr verschieden. – Bei den Ich-Zuständen handelt es sich um K, den Kind-Ich-Zustand, um ER, den Erwachsenen-Ich-Zustand und um EL, den Eltern-Ich-Zustand. Alle drei zusammen machen einen ganzen, erwachsenen Menschen aus.
Zur Veranschaulichung und zum Verständnis
Wenn ein älterer Herr mit seinem Hund auf der Wiese herumtobt und sich mit ihm balgt, wird er im Moment vorwiegend seinen K mit Energie besetzt haben.
Wenn eine Medizinisch-Technische Angestellte gerade Blutuntersuchungen macht, wird sie (hoffentlich) vorwiegend ihren ER mit Energie besetzt haben.
Übrigens: Der Terminus ER bezeichnet –vereinfacht gesagt- das Denken. Der ER ist nur einer der drei Teilaspekte eines kompletten erwachsenen Menschen, der ebenso über K und EL verfügt.
Wenn eine erwachsene Frau ihre ebenfalls erwachsene Schwester, die von einem Blechschaden erzählt, den sie heute mit dem Auto verursacht hat, und dabei kaum die Tränen zurück halten kann, in den Arm nimmt und tröstet, dann wird letztere vermutlich gerade ihren fürsorglichen EL mit Energie besetzt haben, erstere den K.
Anderes Beispiel (für „innere Kommunikation“)
Margit sitzt nachmittags im Büro und schwitzt. Ihr K sagt: „Aaach, ich habe keine Lust mehr. – Ich stehe jetzt auf und gehe ins Schwimmbad!“ Ihr ER sagt: „Wenn Du jetzt aufstehst und gehst, könntest Du gekündigt werden. Dann verdienst Du kein Geld mehr.“ Ihr EL sagt: „Na komm, es sind nur noch zwei Stunden bis zum Feierabend. Das schaffst Du schon noch. Und dann leisten wir uns von dem verdienten Geld einen Schwimmbadbesuch und eine große Portion Eis!“
Das Kommunikationsmodell der TA
veranschaulicht die Kommunikation oder den „Austausch“ (von Energie, Gefühlen, Argumenten…) zwischen zwei oder mehr Individuen. Das nennt man eine „Transaktion“ Hier gibt es bestimmte Spielregeln, die Menschen in der Regel intuitiv einhalten. Dies führt dazu, dass bei bestimmten Eingangsvoraussetzungen Prognosen über den Kommunikationsverlauf gemacht werden können. Oder anders betrachtet: Bei Kenntnis der impliziten Spielregeln kann der Kommunikationsverlauf besser gesteuert werden.
Kommunikation zu 1.:
Thomas (klagend): Heute habe ich schon wieder vergessen, Brot zu kaufen… (zwischen den Zeilen: bin ich nicht schrecklich?)
Margit: Ist doch nicht schlimm, wir werden schon nicht verhungern!
Thomas: …aber mir passiert das ja andauernd…
Margit: Ist doch nicht so tragisch, das kann doch jedem passieren…
Thomas: Ja, aber…(die Kommunikation auf diese Weise kann noch eine ganze Weile so weiter gehen)
Kommunikation zu 2.:
Thomas (wieder klagend): Heute habe ich schon wieder vergessen, Brot zu kaufen…
Margit (sachlich): …und wie möchtest Du das wieder in Ordnung bringen? (Nun kann Thomas überlegen, was er tun will, womit er seine Energie vom K ins ER verlagert; oder er kann sauer sein, dass Margit ihm nicht den Gefallen tut, ihn vom EL her zu trösten und die Kommunikation ärgerlich abbrechen. Auf jeden Fall geht die Transaktion nicht mehr so schön parallel weiter, wie im vorigen Beispiel.)
F.
Der Beelterungsansatz der Schiff-Schule:
Jacqui Schiff war die Begründerin der „Schiff-Schule“ innerhalb der Transaktionsanalyse. Sie arbeitete mit früh gestörten Patienten, insbesondere mit jungen Psychotikern. Eines ihrer wichtigen Konzepte war die „Neu-Beelterung“ der Patienten. Davon abgeleitet wurde das allgemeiner verwendbare Konzept der „Beelterung“. Der Therapeut fungiert hier für den Patienten wie eine Mutter/ein Vater. Durch neue, alternative, korrigierende Erfahrungen mit einer elterlichen Person kann der Patient seinen EL verändern. In den meisten wirksamen Psychotherapien geschieht das meiner Ansicht nach sowieso, wenn auch manchmal unbewusst oder im Extrem gar verleugnet. Die Verteilung der Ich-Zustände ist nach meiner Sicht im psychotherapeutischen Setting schon so angelegt: Ein Hilfe suchender Mensch kommt und sucht bei einem anderen Menschen Unterstützung. Meist aktiviert der Patient unbewusst seinen Kind-Ich-Zustand (anfangs mehr oder weniger äußerlich erkennbar), während der Therapeut, der „Helfer“, schon allein durch seine Rollenaufgabe den Eltern-Ich-Zustand mit Energie besetzt.
Mir liegt an dieser Stelle daran das, was sowieso (mehr oder weniger bewusst) in Psychotherapien passiert, möglichst bewusst zu tun um es dann auch gezielt einsetzen zu können. Insbesondere der Therapeut, möglichst aber auch der Patient, sollten sich darüber bewusst sein, was geschieht und dies damit auch steuern können.
G
Biosynthese
Die Biosynthese wurde ab Ende der 1970er Jahre von David Boadella und später auch von seiner Frau Silvia Specht Boadella entwickelt. Sie hat ihre Wurzeln in verschiedenen körpertherapeutischen Traditionen, vor allem aber in den Arbeiten von Wilhelm Reich, einem Psychoanalytiker und Schüler von Sigmund Freud.
Die Biosynthese ist nicht ein körperpsychotherapeutisches Verfahren im Gegensatz zu den verbalen Therapieverfahren. Auch „rein verbale“ Therapieverfahren basieren auf den Körperfunktionen Denken, Hören, Sprechen und damit vorwiegend auf ektodermalen Funktionen. Jedoch ist beim Sprechen auch die Motorik von Bedeutung und damit der mesodermale Aspekt. Mit bestimmten Wörtern und dem Klang der Stimme sind auch Gefühle verbunden, womit auch der endodermale Aspekt ins Spiel kommt. – Somit nutzen auch „rein verbale“ Psychotherapieverfahren alle drei Grund legenden körperlichen Funktionsbereiche, ganz zu schweigen von Mimik, Gestik, Körperhaltung, die in der Regel parallel zur verbalen Kommunikation mit laufen. Die Biosynthese nutzt die körperlichen Aspekte der Kommunikation lediglich bewusster, umfassender und spezifischer zu psychotherapeutischen Zwecken.
Die Biosynthese ist eine ziemlich komplexe und möglichst umfassende, ganzheitliche Betrachtungsweise der menschlichen Existenz, aus der unter anderem verschiedenste psychotherapeutische Interventionen abgeleitet werden können.
Der Körper ist die Grundlage unserer menschlichen Existenz. Der Mensch wird in einem Körper mit seinen genetischen Grundlagen geboren. Darüber hinaus wird er durch seine Erfahrungen ab der Empfängnis bis zu seinem Tode geprägt. Ein zentrales Konstrukt der Biosynthese ist das der „Lebensfelder der Erfahrung“, das die Komplexität der für ein Menschenleben wichtigen Bereiche oder Felder in ihren Zusammenhängen und Wechselwirkungen zu beschreiben versucht.
Damit werden auch Möglichkeiten beschrieben, wie der Weg von „Krankheit“ zu „Gesundheit“ oder „Heilung“ aussehen kann.
Die Biosynthese hat die Möglichkeit, auf 6 verschiedenen Feldern zu arbeiten. Eines davon bezieht sich auf das Denken und die Sprache. Die verbale Psychotherapie steht also auch aus dieser Sichtweise nicht im Gegensatz zur Körperpsychotherapie im Sinne der Biosynthese. Sondern sie ist hier als wichtiges Element enthalten.
Die Lebensfelder der Erfahrung
Dieses Schaubild wurde von http://www.biosynthesis.org/html/lebensfelder.html
übernommen und ist dort im Original zu sehen.
H.
Die „Lebensfelder“ der Erfahrungen, die uns prägen:
ein zentrales Konzept der Biosynthese
Die Lebensfelder der Erfahrung sind ein theoretisches Konstrukt, das versucht, unsere Lebensrealität als Menschen zu untergliedern und zu beschreiben.
Das Diagramm unterscheidet/enthält 6 Lebensfelder, in denen wir Menschen Erfahrungen machen. Diese machen wir mit Hilfe unseres Körpers, durch unsere Wahrnehmungen. Auf dem Hintergrund genetisch ererbter Grund legender Eigenschaften prägt unsere je spezifische Art des Denkens, Fühlens, Handelns auch unseren Geist und unsere Psyche. Die Lebenserfahrungen werden also personenspezifisch verarbeitet und gespeichert und „prägen“ damit einen spezifischen Menschen. Dessen spezielle Muster machen seinen „Charakter“ oder seine „Persönlichkeit“ aus. Die Biosynthese als psychotherapeutisches Verfahren versucht zuerst, diese Ausprägungen des Wesens eines Menschen auf den verschiedenen Feldern der Erfahrung zu erfassen. Die gesünderen Anteile liegen in der Kreisscheibe des Diagramms weiter innen, die blockierenden und blockierten weiter außen.
Die Lebenfelder der Erfahrung
Dieses Schaubild wurde von http://www.biosynthesis.org/html/lebensfelder.html
übernommen und ist dort im Original zu sehen.
Der Biosynthesetherapeut versucht also, den aktuellen Zustand eines Patienten auf den verschiedenen Feldern jeweils möglichst weit zur Mitte hin zu verschieben. Er sucht auf den verschiedenen Feldern der Erfahrung einen möglichst einfachen Zugang zu einem Menschen, um ihm neue, gesündere Erfahrungen zu vermitteln. Dies tun wir zuerst auf einem Feld, das relativ leicht zugänglich ist, das heißt, auf dem möglichst wenig Widerstand entgegen gesetzt wird.
Gelingt es, die Blockade in einem Feld zu lockern, bringt das in das Gesamtsystem, also auch in andere Felder, mehr „Fluss“. Oft können danach auch andere Felder leichter bearbeitet werden, die vorher völlig blockiert waren. Oder es kann dort zu einer „Spontanremission“ kommen. Das Ziel wird darin gesehen, im Laufe des therapeutischen Prozesses in den Bereich der „Essenz“ zu gelangen, des heilen Kerns des behandelten Menschen.
In der Transaktionsanalyse nennt man den blockierten Status übrigens das „Skript“, nach dem ein nicht „befreiter“ Mensch lebt. Als Ziel der Psychotherapie wird hier -entsprechend der Essenz in der Biosynthese- der Zustand der (idealen) „Skriptfreiheit“ postuliert, was jedoch in der Realität eher graduell erreicht wird.
I.
Die doppelte Präsenz
Die „doppelte Präsenz“ ist ein Konzept der Biosynthese, das durch eine bestimmte Technik umgesetzt oder geübt wird. „Präsenz“ bedeutet, mit meiner gesamten Aufmerksamkeit und Energie auf den Klienten zentriert zu sein, um ihn und seine inneren Regungen zu erfassen und guten Kontakt zu ihm zu haben. – Die „doppelte Präsenz“ beinhaltet, dass ich parallel als Therapeut auch mich selber wahr nehme. Zuerst übe ich, mit meiner Aufmerksamkeit zwischen dem Patienten und mir selbst hin und her zu pendeln, also zu „pulsieren“. Das führt mit der Zeit im Optimum dazu, dass ich beides integriere, also nahezu gleichzeitig kann.
Auch mich selber als Therapeut im Therapieprozess wahr zu nehmen ist wichtig, um bspw. Phänomene der Übertragung und Gegenübertragung wahr zu nehmen. Es ist auch wichtig, meinen eigenen energetischen Zustand wahr zu nehmen, um mich nicht in symbiotischen Zuständen energetisch zu erschöpfen. So kann ich das Gleichgewicht zwischen intensiver Präsenz oder Einfühlung und ausreichender Abgrenzung halten.